Ein Deutsches Requiem & Kantate Omnia Tempus Habent

Ein Deutsches Requiem & Kantate Omnia Tempus Habent

Aufführung

Sonntag, 13. November, 2022 17 Uhr
Mutterhauskirche Kaiserswerth

Bernd Alois Zimmermann Kantate
OMNIA TEMPUS HABENT
für Sopran und 17 Instrumente

Einführung

Dem „Deutschen Requiem“ von Johannes Brahms, das in seiner musikalischen Gestaltung und seiner Konzeption anregend für einige Komponistenpersönlichkeiten des 20. und 21. Jahrhunderts wurde, wird in diesem Konzert gewissermaßen als Dialogpartner und Denkanstoß ein wichtiges Werk von Bernd Alois Zimmermann (1918- 1970) vorangestellt. Das Thema Zeit ist ein zentrales Thema im Schaffen dieses bedeutenden Komponisten des 20. Jahrhunderts, der in vielen Werken gerade die Zeit und deren Erleben in besonderer Weise mit künstlerischen Mitteln dargestellt hat. Es ging ihm hierbei insbesondere um die Differenz zwischen der gemessenen Zeit sowie jenes innere Zeiterleben, das er in Anlehnung an antike und mittelalterliche Gedanken als kugelgestaltig beschrieb – und als eine Art Zusammenführung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft mit kompositorischen Mitteln verstand. Insofern geht es im ersten Werk des heutigen Abends zunächst um das Leben und seine erfüllten Zeiten. Zimmermann komponierte die Kantate „Omnia tempus habent“ (Jegliches hat seine Zeit) im Jahre 1957. Es handelt sich hierbei um eine Vertonung von Texten der Vulgata aus dem 3. Kapitel des Predigers Salomo. Dies ist ein Text, der sogar in mehreren Werken Zimmermanns vorkommt und über dessen skeptische Töne und existenzielle Zweifel er immer wieder reflektierte. Der Text offenbart, dass der Mensch nicht Herr seiner Zeitbestimmung ist. Vor allem im Mittelteil dieser Kantate wird die Fülle der Wechselfälle des menschlichen Lebens auf musikalisch sehr farbige Weise vergegenwärtigt. Die Sopranstimme übernimmt dabei eine führende Rolle und ist überaus differenziert und expressiv ausgestaltet. Dies geschieht beispielsweise durch viele verschiedenen Arten des Singens, etwa durch große Sprünge in der Melodieführung, durch dynamische Kontraste auf engstem Raum und durch das Singen nach der gregorianischen Art des Rezitationstons (tonus rectus), aber auch durch Sprechgesang und gesprochene Passagen. Die für den Text besonders typischen Gegensatzpaare (z.B. lieben – hassen, schweigen – reden, Krieg – Frieden) werden auf unterschiedliche Weise vertont. Teils werden sie als musikalische Einheit zusammengefasst, teils musikalisch kontrastierend. So wird einerseits das Gegensatzpaar tacendi/loquendi (schweigen und reden) durch eine einheitliche Motivik und sogar einen formalen Zusammenhalt durch eine Umkehrung (musikalisch gesprochen: in Krebsform) gestaltet. Doch andererseits ist die Passage „tempus belli et tempus pacis“ (die Zeit des Kriegs und des Friedens) als großer Kontrast komponiert: „tempus belli“ wird mit hintergründigen, an Kriegstrommeln erinnernden rhythmischen Motiven eingeleitet, während die Zeit des Friedens durch ruhige Streicherklangflächengeprägt ist. Nach den Exemplifikationen der unterschiedlichen menschlichen Zeiten stellt der Prediger Salomo eine Frage, auf die er keine Antwort gibt: Welchen Gewinn erhält der Mensch durch seine Mühe? („Quid habet amplius homo de labore suo?“) Diese Frage ist für Zimmermann so bedeutend, dass er sie drei Mal in unterschiedlichen Ausdrucksweisen wiederholt. An die Stelle einer Antwort setzt der Prediger zunächst die Betonung der Schöpferkraft Gottes: „er hat alles gut gemacht zu seiner Zeit“. Sodann fügt er das Unverständnis des Menschen gegenüber dem Werk Gottes an: Gott habe die Ewigkeit bzw. die Weltzeit (mundum) ins Herz des Menschen gelegt. Jedoch könne der Mensch Gottes Werk nicht ergründen, weder den Anfang noch das Ende. Dass Zimmermann den Worten „ab initio usque ad finem“ (von Anfang bis zum Ende) zuletzt ein weiteres „ab initio“ anfügt, lässt an Friedrich Nietzsches von Wort von der „ewigen Wiederkehr“ denken. Auf diese Weise wird am Ende der Komposition deutlich, dass auch das Ende nicht festgelegt ist; es geht immer weiter. Musikalisch wird hier das rhythmische Motiv der Zeit des Krieges wieder aufgenommen, auch diese Zeit geht unaufhörlich weiter… Zum besonders Beeindruckenden dieses in lateinischer Sprache gehaltenen Werkes gehört auf musikalischer Ebene nicht zuletzt die Gelassenheit, die es trotz der vermeintlichen Ohnmacht des Menschen ausstrahlt – auch Zimmermanns Verwendung der lateinischen Sprache ist wohl in diesem überzeitlichen Sinne zu verstehen. Es ist eine existenzialistische Gelassenheit. Sie beinhaltet ein Staunen über die Mannigfaltigkeit des Lebens und ist von dem Gedanken geprägt, dass der Mensch nicht Herr seiner Zeitbestimmung ist, mithin kündet sie von einem adäquaten Umgang mit der Fülle der Wechselfälle des menschlichen Lebens. Das „Deutsche Requiem“ von Johannes Brahms knüpft an einigen Stellen daran an, ich denke hier besonders an die Stelle „Ach wie gar nichts sind alle Menschen, die doch so sicher leben“. Das Werk konzentriert sich aber vor Sonntag, 13. November 2022, 17 Uhr Mutterhauskirche Kaiserswerth Bernd Alois Zimmermann Kantate OMNIA TEMPUS HABENT für Sopran und 17 Instrumente Johannes Brahms EIN DEUTSCHES REQUIEM Opus 45 nach Worten der Heiligen Schrift für Solisten, Chor und Orchester AUSFÜHRENDE: Manfred Bittner, Bariton Julia Hagenmüller, Sopran (Brahms) Aki Hashimoto, Sopran (Zimmermann) Camerata Instrumentale Kaiserswerth Kantorei Kaiserswerth Leitung: KMD Susanne Hiekel Mit freundlicher Unterstützung: allem auf die Suche nach Trost und Hoffnung für die Leidtragenden, für diejenigen, die über die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens traurig und verzweifelt sind. Das ist einer der Ausgangspunkte dieser Komposition. In gewissem Gegensatz zur traditionellen Bitte um Erlösung der Toten steht in ihr der Mensch im Vordergrund: der Lebende, der Zurückgelassene und derjenige, der Trauer und Leid zu tragen hat. Brahms sprach selbst davon, dass er im Titel des Werkes „recht gern auch das „Deutsch“ fortließe und einfach den „Menschen“ setzte“. Dieses Zitat aus einem Brief an Carl Reinthaler weist auf einen wesentlichen Aspekt: Diese Komposition ist bewusst keine deutsche Fassung einer lateinischen liturgischen Requiem-Vertonung, sondern reflektiert aus verschiedenen Perspektiven über den Tod und somit über die gesamte menschliche Existenz: über ihre Endlichkeit, über unser Trostbedürfnis, doch auch über die Hoffnung auf ewige Freude. Genießen Sie dieses Konzert, in dem unser mannigfaltiges Leben mit all seinen Schattierungen, unsere Endlichkeit und die Hoffnung auf Ewigkeit zum Klingen gebracht werden.

Ausführende

Manfred Bittner, Bariton
Julia Hagenmüller, Sopran (Brahms)
Aki Hashimoto, Sopran (Zimmermann)
Camerata Instrumentale Kaiserswerth Kantorei Kaiserswerth

Leitung: KMD Susanne Hiekel

 

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Programmheft 2022

 

Konzertmitschnitt 

Ein deutsches Requiem

von Die Kantorei Kaiserswerth | Mutterhauskirche 2022

Kantate Omnia Tempus habent

von Die Kantorei Kaiserswerth | Mutterhauskirche 2022

Ein Überlebender aus Warschau und Brahms Requiem

Ein Überlebender aus Warschau und Brahms Requiem

Aufführung

Sonntag, 19. November 2006, 17 Uhr
St. Suitbertus Basilika Kaiserswerth

Johannes Brahms

EIN DEUTSCHES REQUIEM

Opus 45 nach Worten der Heiligen Schrift
für Sopran, Bariton, 
Chor und Orchester

Arnold Schönberg

A SURVIVOR FROM WARSAW
(Ein Überlebender aus Warschau) opus 46

für Erzähler, Männerchor und Orchester

Thematik

Innerhalb der Tradition der großen Requiem-Kompositionen nimmt das Deutsche Requiem von Johanns Brahms einen besonderen Platz ein, da es statt einer liturgischen Totenmesse eine Kantate zum Trost für die Leidtragenden ist. Es erinnert an Vergänglichkeit und menschliches Leid, setzt aber aller Traurigkeit auch Trost, Hoffnung und sogar Zuversicht entgegen. Der Titel „Ein deutsches Requiem“ weist zunächst auf die deutsche Sprache hin (der Text im traditionellen Requiem ist lateinisch). Zugleich deutet er darauf, dass das Werk an kein Dogma und keine Konfession gebunden ist, sondern als Trost für alle Menschen zu verstehen sei. Brahms selbst schrieb in einem Brief an J. Reinthaler: „…ich will bekennen, dass ich recht gern auch das ,Deutsch‘ fortließe und einfach den ,Menschen‘ setzte“.

In unserer heutigen Aufführung wird zwischen den Sätzen IV und V des Requiems von Brahms ein berühmtes anderes Werk eingeschoben: Arnold Schönbergs unvergleichliche Komposition „Ein Überlebender aus Warschau“ aus dem Jahre 1947. Dies geschieht in der Überzeugung, dass sich dadurch in erhellender Weise sowohl Korrespondenzen wie auch Kontrastwirkungen zwischen beiden Werken ergeben. Eine solche Verknüpfung könnte dazu verhelfen, jenseits des routinierten Umgangs mit einem Klassiker der Chorliteratur im Werk von Brahms ganz neue Impulse oder Qualitäten zu entdecken. Es ist überdies auch darauf zu beziehen, dass auch bei der Uraufführung des „Deutschen Requiems“ 1868 im Bremer Dom andere Kompositionen an dieser Stelle eingeschoben wurden.

Arnold Schönberg, der ein großer Verehrer der Musik von Johannes Brahms war und als einer der ersten die zukunftsweisenden Potentiale in ihr entdeckte, schuf ein hochexpressives, die Grausamkeiten des Nationalsozialismus nicht beschönigendes Werk, in welchem er beschreibt, wie die Bewohner des Warschauer Ghettos zusammengetrieben werden und gemeinsam das fast vergessene jüdische Glaubensbekenntnis  „Sch‘ma jisrael“ („Höre, Israel, der Ewige, unser Gott, ist ein einiges, ewiges Wesen…“) anstimmen. „Ein Überlebender aus Warschau“ ist eine kurze, aber intensive Kantate für großes Orchester, einstimmigen Männerchor und Sprecher.

Arnold Schönberg, der ein großer Verehrer der Musik von Johannes Brahms war und als einer der ersten die zukunftsweisenden Potentiale in ihr entdeckte, schuf ein hochexpressives, die Grausamkeiten des Nationalsozialismus nicht beschönigendes Werk, in welchem er beschreibt, wie die Bewohner des Warschauer Ghettos zusammengetrieben werden und gemeinsam das fast vergessene jüdische Glaubensbekenntnis  „Sch‘ma jisrael“ („Höre, Israel, der Ewige, unser Gott, ist ein einiges, ewiges Wesen…“) anstimmen. „Ein Überlebender aus Warschau“ ist eine kurze, aber intensive Kantate für großes Orchester, einstimmigen Männerchor und Sprecher.

Schönberg beschreibt darin das für die Organisation des NS-Terrors typische Szenario einer Appellselektion zur Bestandskontrolle und Ausmusterung zum Tode verurteilter Inhaftierter und greift dabei auf  Schemata des NS-Lageralltags zurück. Zu den Kernaspekten der Komposition, die auch in ihrer musikalischen Struktur reflektiert werden, gehört die Frage der Unentrinnbarkeit. Zugleich spielt die Arbeit mit verschiedenen Motiven der Angst und der Bedrohung eine Rolle. Zur Intensivierung trägt überdies die Tatsache bei, dass Schönberg  zwischen englischer, deutscher und hebräischer Sprache wechselt, das Deutsche für die Sprache der damaligen Terror-Herrschaft reservierend. 

Das Werk nimmt zwar konkret Bezug auf das Warschauer Ghetto und unterstreicht das Unvergleichliche des NS-Vernichtungsterrors, gehört aber zugleich zu jenen Kunstwerken, die eine Offenheit für die erschütternde Momente der Geschichte zu erzeugen vermögen. Es zählt zu den wegweisenden und eindringlichsten Kompositionen des 20. Jahrhunderts. Durch das Anstimmen des  jüdischen Gebets „Sch’ma  jisrael“ in einer existenziell höchst bedrohlichen Situation der Übermacht des Terrors setzt Schönberg dem Erlebnis des Schreckens am Ende des Stückes einen Lebensentwurf  auf höherer Stufe entgegen, aus dem sich die Identität des Einzelnen begreift.

Ausführende

Eva Budde, Sopran
Sebastian Klein, Bariton und Sprecher

Der Chor der Stadtkirche Kaiserswerth

Die Heidelberger Studentenkantorei der Heiliggeistkirche
(Einstudierung: Christoph A. Schaefer)

Camerata Instrumentale Kaiserswerth

Leitung: Susanne Hiekel

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Korinther 13 – Jazzkantate (UA) von Georg Corman

Korinther 13 – Jazzkantate (UA) von Georg Corman

Donnerstag, 20. Juni , 15.00 Uhr
Propsteikirche Dortmund

Sonntag, 7. Juli, 17 Uhr
Jonakirche Lohausen

Chormusik unserer Zeit „Korinther 13“ – Jazzkantate (UA) von Georg Corman

Ausführende:

Die Kinder-, Jugend- und Erwachsenen Kantorei Kaiserswerth

Latin&Jazz-Ensemble NRW:
Florian Beckmann, Trompete
Johannes Seidemann, Altsaxophon
Christian Scheer, Tenorsaxophon
Thorsten Heilmann, Posaune
Georg Corman, Piano
Günther Rink, Kontrabass
Antoine Duijkers, Schlagzeug

Leitung: Susanne Hiekel

Mit freundlicher Unterstützung des Kulturamts der Landeshauptstadt Düsseldorf

 

Konzept der Komposition

Der Düsseldorfer Jazzmusiker Georg Corman komponiert für den Dortmunder Kirchentag eine Jazzkantate zum Thema Liebe, die textliche Grundlage bilden Verse aus dem Hohen Lied der Liebe aus dem Korintherbrief des Neuen Testaments.

Der Bezug zur  Kirchentagslosung „Was für ein Vertrauen“, die das Vertrauen auf Gott trotz allen Anfechtungen akzentuiert, könnte kaum enger sein. Kann doch dieses Vertrauen auf Gott und seine unendliche Liebe die entscheidende Kraftquelle für unsere Fähigkeit zur Liebe sein –  zu einer Liebe, die uns zur Verantwortung für einander befähigt und aufruft.

Der Kinderchor spielt in der viersätzigen Kantate inhaltlich und musikalisch eine wichtige Rolle, denn er gibt in großer Unbefangenheit die entscheidenden Impulse zur Erkenntnis des Wesens der Liebe. Der Text aus dem Korintherbrief (1. Korinther 13, 1-13) wird mehrfach verwendet und in einzelne Motive zerlegt, die musikalischen Motiven entsprechen. Cormans Jazz-Stil entspringt dem Anliegen, eine bewusst weltoffene und doch vielschichtige und neue Klangsprache zu finden. Wenn Corman auf Stilmittel der heutigen populären Musik zurückgreift, so stattet er diese mit großer Ernsthaftigkeit aus. Auch in der Popmusik ist das Thema Liebe natürlich sehr populär. In dieser Kantate jedoch wird versucht, über einfache Lösungen hinauszugreifen und auf differenziertere Weise die Schönheit und Kraft der Liebe als das Zentrum unseres des Menschseins abzubilden. Durch die sehr facettenreichen Texte, Melodien und Rhythmen wird eine Ermutigung ausgesprochen: die Ermutigung an uns alle, unser Sensorium zu schärfen für die Liebe,  die unser Leben bereichert und l(i)ebenswert macht.

Die etwa 20-minütige Kantate wird zudem eingebettet in ein insgesamt einstündiges Konzertprogramm mit Werken von weiteren zeitgenössischen Komponisten wie Gregor Linßen, John Bell, Matthias Nagel u.a.

 

Der Komponist

Der Düsseldorfer Georg Corman (* 1956) ist Jazzpianist und Komponist. Er hat einen Lehrauftrag für Jazzklavier und Arrangement an der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf,  Leiter des Musikzentrums „Drei-Klang“ in Düsseldorf,  Mitbegründer der Band SALSA PICANTE und wirkte an zahleiche Platten- und Fernsehproduktionen mit.

Zu seinen Kompositionen zählen Werke für Orchester, Big Band und Klavier, die Musicals „Die Missratenen“ und „Die Kopfrechnerin“, das Oratorium „Kosmos 104“, 25 Lieder nach Texten von Erich Kästner sowie  „Die Schöpfung“ für Big Band, Chor und Solisten