Ein Überlebender aus Warschau und Brahms Requiem

Aufführung

Sonntag, 19. November 2006, 17 Uhr
St. Suitbertus Basilika Kaiserswerth

Johannes Brahms

EIN DEUTSCHES REQUIEM

Opus 45 nach Worten der Heiligen Schrift
für Sopran, Bariton, 
Chor und Orchester

Arnold Schönberg

A SURVIVOR FROM WARSAW
(Ein Überlebender aus Warschau) opus 46

für Erzähler, Männerchor und Orchester

Thematik

Innerhalb der Tradition der großen Requiem-Kompositionen nimmt das Deutsche Requiem von Johanns Brahms einen besonderen Platz ein, da es statt einer liturgischen Totenmesse eine Kantate zum Trost für die Leidtragenden ist. Es erinnert an Vergänglichkeit und menschliches Leid, setzt aber aller Traurigkeit auch Trost, Hoffnung und sogar Zuversicht entgegen. Der Titel „Ein deutsches Requiem“ weist zunächst auf die deutsche Sprache hin (der Text im traditionellen Requiem ist lateinisch). Zugleich deutet er darauf, dass das Werk an kein Dogma und keine Konfession gebunden ist, sondern als Trost für alle Menschen zu verstehen sei. Brahms selbst schrieb in einem Brief an J. Reinthaler: „…ich will bekennen, dass ich recht gern auch das ,Deutsch‘ fortließe und einfach den ,Menschen‘ setzte“.

In unserer heutigen Aufführung wird zwischen den Sätzen IV und V des Requiems von Brahms ein berühmtes anderes Werk eingeschoben: Arnold Schönbergs unvergleichliche Komposition „Ein Überlebender aus Warschau“ aus dem Jahre 1947. Dies geschieht in der Überzeugung, dass sich dadurch in erhellender Weise sowohl Korrespondenzen wie auch Kontrastwirkungen zwischen beiden Werken ergeben. Eine solche Verknüpfung könnte dazu verhelfen, jenseits des routinierten Umgangs mit einem Klassiker der Chorliteratur im Werk von Brahms ganz neue Impulse oder Qualitäten zu entdecken. Es ist überdies auch darauf zu beziehen, dass auch bei der Uraufführung des „Deutschen Requiems“ 1868 im Bremer Dom andere Kompositionen an dieser Stelle eingeschoben wurden.

Arnold Schönberg, der ein großer Verehrer der Musik von Johannes Brahms war und als einer der ersten die zukunftsweisenden Potentiale in ihr entdeckte, schuf ein hochexpressives, die Grausamkeiten des Nationalsozialismus nicht beschönigendes Werk, in welchem er beschreibt, wie die Bewohner des Warschauer Ghettos zusammengetrieben werden und gemeinsam das fast vergessene jüdische Glaubensbekenntnis  „Sch‘ma jisrael“ („Höre, Israel, der Ewige, unser Gott, ist ein einiges, ewiges Wesen…“) anstimmen. „Ein Überlebender aus Warschau“ ist eine kurze, aber intensive Kantate für großes Orchester, einstimmigen Männerchor und Sprecher.

Arnold Schönberg, der ein großer Verehrer der Musik von Johannes Brahms war und als einer der ersten die zukunftsweisenden Potentiale in ihr entdeckte, schuf ein hochexpressives, die Grausamkeiten des Nationalsozialismus nicht beschönigendes Werk, in welchem er beschreibt, wie die Bewohner des Warschauer Ghettos zusammengetrieben werden und gemeinsam das fast vergessene jüdische Glaubensbekenntnis  „Sch‘ma jisrael“ („Höre, Israel, der Ewige, unser Gott, ist ein einiges, ewiges Wesen…“) anstimmen. „Ein Überlebender aus Warschau“ ist eine kurze, aber intensive Kantate für großes Orchester, einstimmigen Männerchor und Sprecher.

Schönberg beschreibt darin das für die Organisation des NS-Terrors typische Szenario einer Appellselektion zur Bestandskontrolle und Ausmusterung zum Tode verurteilter Inhaftierter und greift dabei auf  Schemata des NS-Lageralltags zurück. Zu den Kernaspekten der Komposition, die auch in ihrer musikalischen Struktur reflektiert werden, gehört die Frage der Unentrinnbarkeit. Zugleich spielt die Arbeit mit verschiedenen Motiven der Angst und der Bedrohung eine Rolle. Zur Intensivierung trägt überdies die Tatsache bei, dass Schönberg  zwischen englischer, deutscher und hebräischer Sprache wechselt, das Deutsche für die Sprache der damaligen Terror-Herrschaft reservierend. 

Das Werk nimmt zwar konkret Bezug auf das Warschauer Ghetto und unterstreicht das Unvergleichliche des NS-Vernichtungsterrors, gehört aber zugleich zu jenen Kunstwerken, die eine Offenheit für die erschütternde Momente der Geschichte zu erzeugen vermögen. Es zählt zu den wegweisenden und eindringlichsten Kompositionen des 20. Jahrhunderts. Durch das Anstimmen des  jüdischen Gebets „Sch’ma  jisrael“ in einer existenziell höchst bedrohlichen Situation der Übermacht des Terrors setzt Schönberg dem Erlebnis des Schreckens am Ende des Stückes einen Lebensentwurf  auf höherer Stufe entgegen, aus dem sich die Identität des Einzelnen begreift.

Ausführende

Eva Budde, Sopran
Sebastian Klein, Bariton und Sprecher

Der Chor der Stadtkirche Kaiserswerth

Die Heidelberger Studentenkantorei der Heiliggeistkirche
(Einstudierung: Christoph A. Schaefer)

Camerata Instrumentale Kaiserswerth

Leitung: Susanne Hiekel

Download

Programmheft.pdf